Die Videopille - Reise durch den menschlichen Körper
Neue Miniaturtechnologien ermöglichen sensationelle Bilder aus dem Magen Darmtrakt. Englische und israelische Wissenschaftler entwickelten unter der Führung des Mediziners Prof. Dr. Swain eine Kapsel, die leicht geschluckt werden kann und Bilder per Funk weiterleitet. Die Bedeutung dieser Konstruktion kann heute noch nicht wirklich abgeschätzt werden. Aber bei dem Fortschreiten der Entwicklung scheint eine Ergänzung der herkömmlichen Endoskopie durchaus wahrscheinlich. Auf einem internationalen Gastroenterologenkongress wurden erste Ergebnisse präsentiert.
Professor Swain erlangte bereits mit der Erfindung einer endoskopischen "Nähmaschine" internationale Beachtung. Neuestes Highlight seiner wissenschaftlichen innovativen Tätigkeit ist die Entwicklung der Videokapsel. Grundlage war die Überlegung, schmerzhafte und unangenehme Spiegelungen zu ersetzen. Die modernen Endoskope sind an der Spitze mit einem kleinen Mikrochip ausgestattet. Zur Führung und Manipulation im Magen und Darm ist jedoch bislang ein 1 bis 1,2 cm dicker Schlauch notwendig.
Die Videokapsel hingegen ist schnurlos. Sie ist knapp 3 Zentimeter lang mit einem Durchmesser von ca. 11 Millimeter. Der größte Teil der Kapsel wird von den Miniaturbatterien eingenommen, die Energie für die Leuchtdioden im vorderen Abschnitt bereitstellen. Dadurch kann der untersuchte Darmabschnitt gut ausgeleuchtet werden. Ein winziger Bildsensor auf Metalloxidbasis liefert die Bilder, die per Funk (eventuell auch über Satellit) weit entfernt vom Patienten von einem Receiver aufgezeichnet werden. Die Pille wird geschluckt und durch die Peristaltik, die wellenförmige Bewegung der Muskulatur von Magen und Darm, weiterbewegt. Nach wenigen Minuten erreicht die Pille den Magen, verbleibt dort eine halbe bis zwei Stunden und wird durch den Pylorus (Magenausgangsmuskel) in den Dünndarm gebracht. Nach wenigen Stunden gelangt die Kapsel bereits in den Dickdarm und wird etwa 24 Stunden nach der Einnahme wieder ausgeschieden. Da es sich um ein Einmalprodukt handelt wird es schließlich mit der Toilettenspülung entsorgt.
Professor Swain demonstrierte in einem unnachahmlichen Selbstversuch das einfache Schlucken der Pille. Vor einem hochkarätigen Publikum wurden ausgewählte Aufnahmen der Kapsel vorgeführt. Dabei waren die Bilder aus der Speiseröhre gut, die aus dem Magen jedoch wegen des massiven Magensekretes eher eingeschränkt beurteilbar. Absolut einwandfreie Aufnahmen ließ überraschenderweise der gesamte Dünndarm zu, wenn gleich die Passage zeitweise einem abgeschossenen Torpedo ähnelte. Im Dickdarm angekommen war die Energieleistung der Batterien fast aufgebraucht. Die von dort noch übermittelten Bilder waren jedoch von guter Qualität. Trotz heftiger Akklamationen wurden im Anschluss auch einige Kritikpunkte diskutiert.
Die Detailbeurteilbarkeit des Magens erscheint nicht ausreichend. Zu viel Magenschleim beeinträchtigt die Sicht. Ohne Luftinsufflation ist die derzeit gewohnte Übersicht kaum zu erreichen und das Risiko kleine Frühkarzinome zu übersehen ist zu hoch.
Obwohl die Pille eher groß imponiert, ist die Einnahme mit einem Schluck Flüssigkeit für die meisten Patienten offenbar unproblematisch. Da während der Untersuchung keine Anschlüsse notwendig sind, ist es den Untersuchten möglich ihrer normalen Arbeit während der Aufnahmen nachzugehen. Das größte Problem derzeit liegt in der eingeschränkten Leistungsreserve der kleinen Batterien.
Weitere Entwicklungen werden sicherlich folgen. Überlegt wird bereits über die Möglichkeiten die Kapsel im Körper zu steuern. Derzeit ist die Rolle der konventionellen Endoskopie noch unumstritten, denn zu groß sind die Vorzüge und Möglichkeiten der interventionellen Therapiemaßnahmen. Vorläufig muss die Kapsel noch in breit angelegten Studien ihre Möglichkeiten unter Beweiß stellen. Aber dieser erste Schritt regt die Phantasie von Ärzten und Patienten an und der Traum von einer kleinen Pille, die alle unangenehmen Untersuchungen ersetzt und regelmäßig eingenommen jedes Frühkarzinom im Magen Darm Trakt erkennt, nimmt möglicherweise langsam und faszinierend Realität an.
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